ERHALT UND WIEDERAUFBAU

DIE GESCHICHTE DES RITTERGUTES IM HEUTIGEN PULHEIM

Das Rittergut Haus Orr liegt im heutigen Pulheim im Rhein-Erft-Kreis, Nordrhein-Westfalen. Das Herrenhaus sowie die damals zugehörigen Wirtschaftsgüter sind heute noch zu einem großen Teil vorhanden; sie liegen zurückgesetzt an der Landstraße zwischen Pulheim und Esch. Der Park von Haus Orr umfasst in seinem Gelände ein ehemaliges Flussbett des Rheins und dieses verfügte über zwei Inseln. Die kleinere Insel diente wahrscheinlich als Motte (= Einraumfestung, Proviantlager), auf der größeren Insel vermutet man eine Festungsanlage. Im Rahmen der Anlegung des Landschaftsparks wurde die große Insel mit dem Ufer verbunden, wodurch neben der weiterhin bestehenden Kriegslaache der Insel- und der Dreiecksweiher entstanden.

Nach einer langen, abwechslungsreichen Geschichte sind das Herrenhaus und der Park seit dem Jahr 2010 in den Händen des jetzigen Eigentümers und wurden in den darauf folgenden Jahren aufwendig restauriert.

HISTORISCHE CHRONOLOGIE

DIE GESCHICHTE VON HAUS ORR 1264 BIS HEUTE

Die Geschichte des Gebietes um den Weiler Haus Orr (Weiler = aus wenigen Gehöften bestehende, keine eigene Gemeinde bildende Ansiedlung) reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Gelände 1264 noch als »Urre« bezeichnet. Der dazugehörige Landschaftspark wurde im Laufe der Jahre bis 1890 stetig erweitert und ist mittlerweile als eigenständiges Gartendenkmal in die Denkmalliste der Stadt Pulheim eingetragen. Wir nehmen Sie mit auf eine Reise in die Vergangenheit dieses außergewöhnlichen Ortes.

Die drei historischen Aufnahmen zeigen die Familie Pagenstecher im Park um 1920, eine Kahnpartie auf dem Weiher vor der Brücke beim Gärtnerhaus, ca. 1909 (die Aufnahme zeigt die Familie Pagenstecher mit Verwandten und Freunden) und Hilda Pagenstecher am Gärtnerhaus, 1919-1921.

1264
In der ersten urkundlichen Erwähnung 1264 wurde Orr als »Urre« bezeichnet. Im 13. Jahrhundert war Friedrich von Gyltling Herr von Orr. 1342 schenkte Gobelinus von Udenkoven dem Konvent von St. Severin Ländereien des Ortes.

1576
Der Kölner Erzbischof, sowie der Herzog von Jülich Berg stritten sich ab 1576 um die Landeshoheit. Da sie sich die Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit teilten, konnte zeitweilig eine Besteuerung der Orrer Landleute nicht erfolgen.

1800
Im Rahmen der Säkularisierung ging das Grundstück um das Jahr 1800 herum in den Besitz der Kölner Familie Reinhardt über. Das Gartenhaus stammt vermutlich auch aus dieser Zeit, damals noch im Fachwerkbau, später in Ziegelbauweise. Im »Anemonenwäldchen« oder »der Wacholder« fand sich eine Grabstelle aus dem Jahr 1806 für die Töchter. Die Grabstätte wurde allerdings leider in den 1980er Jahren von Hausbesetzern zerstört.

1838
Unter der Leitung des späteren Kölner Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner wurde im Jahre 1838 für damals 128.000 Taler ein Herrenhaus für den Kölner Bankier Peter Daniel Koch gebaut. Koch war der Schwiegersohn der Familie Reinhardt. Das Herrenhaus wurde eines der frühesten Beispiele neugotischer Profanarchitektur im Rheinland.

1842
König Friedrich Wilhelm IV. erhebt das Gut zum landtagsfähigen Rittergut.
Zum Rittergut Orr gehörten der Kriegshof, der Heinenhof und der Beyershof im nördlichen Bereich, sowie die Pletschmühle und der Altenhof im südlichen Gutsgebiet. Die Pächter bewirtschafteten die Felder des Rittergutes. Der Heinenhof wurde bereits 1873 eigenständig. Vom Beyershof existiert heute nur noch die Scheune. Der Altenhof wurde leider abgerissen.

ab 1840-1890
Ein englischer Garten war unter anderem Voraussetzung zur Ernennung zum Rittergut und somit schon vor 1842 vorhanden. Doch der Landschaftspark, wie er sich in seiner heutigen Gestalt zeigt, entstand vermutlich zwischen 1845 und 1890, gestaltet von dem Gartenarchitekten Rosarius. Ein Dokument weist Lenné als Architekt zumindest von Teilen der Parkanlage aus. Der Landschaftspark wurde mittlerweile als eigenständiges Gartendenkmal in die Denkmalliste der Stadt Pulheim eingetragen.
Er sollte den Wunsch eines zu Wohlstand gekommenen Bürgertums nach romantischer Repräsentation mit einem gewissen verbleibenden Anteil an Funktionalität und künstlerischer Gestaltung charakterisieren.

1887
In diesem Jahr erwarb der Elberfelder Werner Pagenstecher das Rittergut Orr von den Erben des Peter Daniel Kochs.

1921-1928
Nach dem Tod Werner Pagenstechers im Jahre 1921 verkaufte seine Familie das Gut 1928 an die Gebrüder Lüngen aus Erkrath. Carl Pagenstecher wurde von 1923 bis 1945 Pächter von dem Kriegshof und dem Beyershof. Seine Mutter wohnte bis 1928 in dem Herrenhaus. Bis zu dieser Zeit war das Anwesen gepflegt.

1945
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Herrenhaus noch bis 1958 als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt. Anschließend wurde es aufgegeben und verfiel teilweise, so dass eine Notsicherung vorgenommen werden musste, um das Gebäude zu erhalten. Der Landschaftspark verwilderte und die Teichanlagen trockneten aus.

1982-1987
1982 zogen Hausbesetzer in das ehemalige Gärtnerhaus ein und renovierten es, bis ein Gerichtsurteil im März 1987 die Räumung erzwang. Mit der Eintragung in die Denkmalliste der Stadt Pulheim am 25.03.1985 sollte das Gebäude vor weiterem Verfall geschützt werden. Im Rahmen einer Ersatzvornahme wurde 1986 das baufällige Dach und die Decke zwischen Erd- und 1. Obergeschoss entfernt. Innen- und Außenwände, die vom Einsturz bedroht waren, wurden gesichert. Dazu wurde u. a. unterhalb der Zinnen zur Stabilisierung ein Ringbalken eingezogen und der Zinnenkranz wurde fassadenseitig wieder aufgebaut. Seitdem sind die »Überreste« des ehemaligen Rittergutes Orr der Witterung ausgesetzt.

2002
Das Rittergut Haus Orr wird vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz als »Denkmal des Monats« vorgestellt.

2003
Die Eintragung der Parkanlage Orr erfolgte am 12. Dezember 2003.

Seit 2010
werden das Herrenhaus Orr und die Parkanlage vom neuen Eigentümer behutsam revitalisiert. Das Herrenhaus Orr wird renoviert und hat 2013 ein neues Walmdach und Fenster bekommen, womit es bei privaten Feiern und kulturellen Veranstaltungen (unter Anderem des Fördervereins Rittergut Orr e.V.) wieder nutzbar ist.

2020
Es wird eine große Feldscheune als Standort für eine Biomasse-Heizung gebaut. An derselben Stelle stand auch in früheren Zeiten schon eine Scheune.

BilderGalerie

Das Rittergut im Laufe der Jahrhunderte